Vereinfacht aufgedrückt, verarbeitet ein Prozess definierte Eingangsdaten zu einem definierten Ergebnis. Das bedeutet, dass sich Prozesse von ganz allein bilden. Bei jeder sich wiederholenden Handlung steht ein Prozess dahinter. Der Organisationsberater Dr. Rainer Feldbrügge spricht dabei von, dass „Prozesse Kommunikationsmuster sind“.
Davon gibt es im Systemhaus eine ganze Menge:
- Vertriebsprozess
- Serviceprozesse
- Abrechnungsprozess
- Recruiting
- Einkaufsprozesse
- …
Beim Managed-Service-Provider (MSP) spielen die Prozesse noch eine viel größere Rolle. Ein Managed Service soll ja immer in der gleichen Qualität, Geschwindigkeit und vor allem immer zum gleichen Ergebnis führen. Das heißt, hinter jeder Servicekation und jedem Service-Request verbergen sich Prozesse:
- Nutzer anlegen
- Postfach anlegen
- Backupkontrolle
- verlorene Daten wiederherstellen
- Sicherheitsaudit durchführen
- Monitoringkontrolle / Morgencheck
- …
Gerade an den MSP-Beispiele erkennst Du, dass es wichtig ist, dass Du Dich mit den Prozessen beschäftigst.
Warum Prozesse?
Was passiert, wenn Du einen neuen Mitarbeitenden einstellst? Wo ist dokumentiert, wie bei Euch Nutzer angelegt werden? Was wo dokumentiert wird? Woher wissen neue Mitarbeitenden im Vertrieb, wie das bei Euch so funktioniert mit dem Lead, der Opportunity und so weiter? Bekommen er oder sie dies alles von den Kolleg*innen mündlich überliefert oder können sie das nachlesen? Sind die neuen Kolleg*innen mit unterschiedlichen Vorgehensweisen unterschiedlicher Mitarbeitenden konfrontiert?
Allein schon aus dem Blickwinkel des Einarbeitungsaufwandes für neue Mitarbeitende lohnen sich definierte und dokumentierte Prozesse.
Prozesse sind die Grundlage für Wachstum und Skalierung Deines Unternehmens.
Der zweite Aspekt ist die Qualitätssicherung und Effizienzsteigerung. Es ist zwar schön, wenn zwei Techniker*innen einen Nutzer erfolgreich anlegen können, aber für den Kunden totaler Mist, wenn der eine mit „Hans Mustermann“ und der andere mit „Musterfrau, Heike“ im globalen Adressbuch auftaucht. Das Ergebnis ist das gleiche – die Qualität aus Sicht des Kunden nicht zufriedenstellend.
Prozesse dienen der Standardisierung – alle führen einen Prozess gleich aus. Es kommt immer das gleiche Ergebnis heraus und zwar genau so, wie es der Kunde erwartet.
Das Gleiche gilt für die monatliche Abrechnung – Kollege A und Kollegin B machen im Prinzip das Gleiche, nur sieht die Rechnung bei A anders aus als bei B. Spätestens, wenn A und B auf unterschiedliche Summen kommen, melden sich die Kunden.
Standardisierung ist die Grundlage für Optimierung und Automatisierung. Du kannst nichts messen, was nicht dokumentiert ist. Du kannst nichts verbessern, dessen Ausgangszustand nicht dokumentiert ist.
An der Stelle helfen uns die PSA- und Tickettools natürlich für einen Teil der Prozesse sehr. Wir könnend die Prozesse dort abbilden, beobachten, messen und optimieren. Kaufmännische Prozesse lassen sich im CRM und ERP abbildend und ebenso verbessern.
Ohne dokumentierte Prozesse wirst Du nicht erfolgreich automatisieren.
Die PSA- und Tickettools, Zapier, Power Automate, RPA-Tools (Robot Process Automation) und viele andere Werkzeuge ermöglichen eine schnelle und unkomplizierte Automatisierung von Prozessen. Die Zugangshürden sind einfach, allerdings lernen die meisten Anwender*innen, dass ohne einen definierten und dokumentierten Prozess kein ausreichendes Ergebnis rauskommt.
Kennst Du die Eingangsparameter und den definierten Ablauf, dann kann der Automat genau die richtigen Ergebnisse zu generieren.
Mit dem gleichen Personal steigt Dein EBIT, wenn Du Dich aktiv um Deine Prozesse kümmerst.
Spätestens, wenn eine Zertifizierung nach ISO 9001, ISO 27001 oder TISAX vor der Tür steht, wirst Du Dich mit Deinen Prozessen beschäftigen.
Was wird dokumentiert?
Ich kann mir Deine Gedanken vorstellen: Boah Robert, nicht schon wieder so ein Bürokratiemonster. Wer soll das denn alles pflegen?
Der letzte Gedanke ist wichtig: Prozesse wollen gepflegt werden. Sonst bist Du zwar am Anfang erfolgreich, aber später arbeitest Du neue Mitarbeitende mit veralteten Prozessen ein. Führt zum gleichen Ergebnis, wie oben beschrieben.
Aus diesem Grund darfst Du Dir Gedanken darüber machen, was wirklich, wirklich relevant ist, um es initial zu dokumentieren und regelmäßig zu aktualisieren. Im Prinzip eine Abschätzung von Kosten und Nutzen – Stichwort Opportunitätskosten. Aus meiner Sicht sind die folgenden Punkte das absolute Minimum, um einen Prozess sinnvoll zu dokumentieren:
- Was ist das Ziel des Prozesses? (Output)
- Welche Informationen / Daten werden benötigt, um den Output zu erzeugen? (Input)
- Wer macht was, um aus dem Input den Output zu erzeugen? (Putput)
- Wer ist für den Prozess verantwortlich?
Wie zuvor erwähnt, das ist das absolute Minimum. Damit Du eine Idee davon hast, was noch alles relevant ist, habe ich Dir ein einfaches Template in Excel gebaut. Das kannst Du ganz unkompliziert nutzen, um schnell und einfach zu starten.
Damit Dir das noch leichter fällt, findest Du in der Datei auch ein Beispiel für einen Service-Request.
Bei vielen Prozessen wirst Du zusätzliche Informationen und Dokumente benötigen. Beispielsweise, wie der Ablauf in den Tools ist, also wo muss, was eingegeben werden. Gerade für Abläufe innerhalb Deiner Managed-Services brauchst Du häufig Vorgaben und Konventionen. Beispielweise wie der Fullname für das Postfach gebildet wird – Nachname, Vorname oder Vorname Nachname – damit immer die gleiche Qualität herauskommt und das globale Adressbuch nutzbar für die Kunden ist.
Wie wird ein Prozess dokumentiert?
Das Template für die Prozessdokumentation Deiner Systemhausprozesse ist eine Möglichkeit, Deine Prozesse zu dokumentieren. In der Vorlage schreibst Du Schritt für Schritt in einer Tabelle auf, was getan wird. Zusätzlich noch die handelnden Personen, die IT-Systeme, die Du dazu brauchst sowie Input und Output der einzelnen Schritte. Diese Art und Weise einen Prozess zu dokumentieren kann Jede(r) in Deinem Unternehmen ohne großartige Einweisung umsetzen. Damit kannst Du einfach starten.
Möchtest Du zusätzlich den Prozess grafisch visualisieren, dann kommen BPMN-Diagramme (Business Process Model and Notation) oder EPK-Darstellungen (ereignisgesteuerte Prozesskette) zum Einsatz. Diese kannst Du mit einer Vielzahl von Softwareprogrammen erstellen:
- Microsoft Visio / Microsoft Visio Online
- diagrams.net (online)
- Lucidchart (online)
- Camunda Modeler (Windows, Mac, Linux)
- Bizagi Modeler (Windows)
Mit allen Lösungen kannst Du wunderbar Deine Diagramme als Ergänzung zu den Angaben in der Excel-Vorlage nutzen. Du darfst Dir bewusst sein, das sind Bilder – grafische Repräsentationen. Nicht mehr und nicht weniger.
Dokumentiere nur das Nötigste und ermögliche den Mitarbeitenden einen leichten Zugriff und eine einfache Nutzung.
Möchtest Du als Systemhaus oder MSP wirklich ernsthaft ins Prozessmanagement einsteigen, dann lohnt sich die Investition in eine Prozessmanagement-Lösung. Solche Werkzeuge sind ein Platz für alles rund um die Prozesse: Dokumentation, Ablaufvisualisierung, zusätzliche Dokumente, Links zu anderen Informationen und vieles mehr. Bei einigen Lösungen kannst Du Dein Qualitätshandbuch direkt aus der Lösung generieren oder das komplette Management für die ISO-Zertifizierungen aufbauen. Dazu gehören mit unterschiedlichen Ausprägungen und Schwerpunkten:
- Aeneis (Windows, Mac, Linux – on premises)
- Signavio Process Manager
- Aris
- BIC-Plattform
Für Aeneis der intellior AG ist eine kostenfreie Einstiegsversion verfügbar, die schon sehr viele Bedürfnisse im Hinblick auf die Dokumentation von Prozessen im Systemhaus abdeckt und damit ein guter Einstieg ist.
Du darfst die Prozessdokumentation erlebbar für Deine Mitarbeitende machen!
Wenn Du möchtest, dass der Prozess xyz richtig durchgeführt wird, dann überlege bitte immer: „Was brauchen die Menschen, damit sie es richtig machen können?“. Auf Basis der Antwort erstellst Du dann entsprechend unterstützende Unterlagen.
Wird der Prozess im CRM, ERP oder Ticketsystem umgesetzt, dann braucht es vielleicht ein kurzes (!) erklärendes Video, wie das im Tool erfolgt. Gleiches kann bei Konfiguration oder Einrichtungen im technischen Bereich helfen. Aber vielleicht reicht es auch aus, wenn es eine bebilderte Klickanleitung gibt.
Wie Du mit der Dokumentation von Prozesse beginnst.
Suche Dir am Anfang einen, einen einzigen Prozess aus und starte mit diesem. Wähle einen Prozess, bei dem es häufig Probleme gibt oder einen, der viel Optimierungspotential hat. Das heißt, am Anfang darf ein Ablauf stehen, an dem Du schnell beurteilen kannst, ob es ein wirklicher Nutzen für Dein Unternehmen durch die Dokumentation der Systemhausprozesse entsteht.
Du kannst an diesem einen Prozess ausprobieren, welche Form der Dokumentation am besten passt. Du kannst eine Blaupause für ein zukünftiges Vorgehen entwickeln. Du wirst ganz viel dabei lernen.
Bei diesem Vorgehen besteht die Gefahr, dass Du am Anfang einen wirklich schwierigen (aus was für Gründen auch immer) oder umfangreichen Prozess erwischst. Je nachdem, wie viel Erfahrung Du schon im Prozessmanagement hast, kann das auch kontraproduktiv sein. Dann achte bitte bei der Auswahl zusätzlich darauf, dass der Prozess nicht zu umfangreich und zu viele Beteiligte hat.
Wer soll das machen?
Wenn Du startest, brauchst Du eine Person, die sich um die Prozesse Deines Unternehmens kümmert. Diese nimmt am Anfang beide wichtige Rollen des Prozessmanagements wahr: Prozess-Owner und Prozess-Manager.
Der Prozess-Owner ist verantwortlich für einen ganz bestimmten Prozess. Er ist dafür verantwortlich, dass der Prozess die gewünschten Ergebnisse zuverlässig und im Rahmen der vorgegebenen Parameter liefert. Er ist für die kontinuierliche Verbesserung, Optimierung und natürlich die Pflege der Prozessdokumentation verantwortlich.
Natürlich kann eine Person verantwortlich für mehrere Prozesse sein. Es ist hilfreich, wenn Du in Deinem Unternehmen diese Rolle definierst, so dass alle Beteiligten wissen, was von der Rolle erwartet wird und welche Rechte / Pflichten die Rolleninhaber haben.
Der Prozess-Manager ist für die Gesamtheit der Prozesse und das Managementsystem verantwortlich. Er stellt übergreifend sicher, dass die Prozesse in gleicher Art und Weise dokumentiert sind. Er unterstützt die Prozess-Owner bei der Dokumentation und Weiterentwicklung der Prozesse. Er sorgt dafür, dass es ein einheitliches Vorgehen gibt, die Prozess-Owner die notwendigen Skills haben und alle anderen Mitarbeitenden in den Prozessen unterrichtet werden.
Kurz gesagt: Ein Prozess-Manager hält das gesamte System am Laufen.
Am Anfang ist das eine Person, die einen sinnvollen Anteil der Arbeitszeit dafür investiert. Zukünftig überträgst Du die Rolle des Prozess-Owner auf weitere Mitarbeitenden und sorgst so für eine Verteilung der Arbeitslast. Vor allem sorgst Du dafür, dass die Prozesse dort optimiert werden, wo sie auch ausgeführt werden. Das bringt Deinem Unternehmen am meisten.
Erfolgsfaktoren, Tipps und Tricks
Das Wichtigste: Geschäftsprozessmanagement ist eine kontinuierliche Aufgabe. Das Ziel ist NICHT die Dokumentation der Prozesse. Ziele sind die Sicherung gleichbleibender Qualität, die Steigerung der Effizienz und Effektivität und in vielen Fällen die Automatisierung von Abläufen.
Dafür brauchst Du die Grundlage (ein dokumentierter Prozess) und die regelmäßige Beschäftigung mit den Prozessen.
Das Ziel ist NICHT die Dokumentation der Prozesse!
Das bedeutet, dass Du Prozesse pflegen darfst, dass Du sinnvolle Kennzahlen für Prozesse definierst darfst und aus deren Auswertung Maßnahmen ableitest und umsetzt. Ganz klassische KVP – kontinuierliche Verbesserung.
Ein dringender Tipp: Nimm regelmäßig unbeteiligte Dritte dazu. Wenn Du in den Prozessen arbeitest, dann siehst Du vieles nicht. Weil es für Dich selbstverständlich ist, weil Du es ja immer so machst. Das ist normal. Um das aufzubrechen, lohnt es sich, die Prozesse regelmäßig – auch bei der ersten Dokumentation – mit einem Dritten durchzugehen. Das ist ein Mensch, der nicht direkt an dem jeweiligen Prozess beteiligt ist. Natürlich die Person einen Teil des notwendigen Fachwissens haben. Damit beugst Du der Betriebsblindheit vor.
Just enough Process – Es geht nicht darum, das weltbeste Prozessmanagement gemäß Lehrbuch zu etablieren. Es geht darum, dass Du die Abläufe in Deinem Systemhaus oder als MSP ständig optimierst und so die Grundlage für Skalierung und Wachstum schaffst.
Je einfacher die Abläufe, umso besser. Nicht jede Besonderheit muss in einen Prozess gegossen werden. Häufig reicht es, einen Prozess zu etablieren und diesen durch Regeln zu ergänzen. Damit hältst Du es für die Mehrzahl der Abläufe einfach und bist dennoch in der Lage auf Ausnahmen zu reagieren.
Geh den Weg zusammen mit anderen Systemhäusern oder MSPs. Das ermöglicht Euch voneinander zu lernen und in den Austausch zu kommen. Das vermeidet, dass Du im eigenen Saft schmorst und bringt Dich schneller ans Ziel.